Ein irrer Käfer
Das Ding sieht aus wie ein Käfer, ist aber, sagen wir mal, das Beste aus zwei Welten: Der Knuddelfaktor eines Käfers gekreuzt mit den Offroad-Qualitäten eines Can-Am Maverick X3. Hans-Peter Karches hat sich das Ding nach seinen Vorstellungen gebaut.
Manche geben viel Geld aus und lassen sich einen Käfer zu einem Offroader im Baja-Stil umbauen. Der britische Restomod-Spezialist Twisted bietet so etwas seit neuestem an. Andere geben möglicherweise genauso viel Geld aus und bauen sich so ein Gerät einfach selbst. Hans-Peter - genannt Pit - Karches ist so einer. Er hat in seiner Werkstatt im heimischen Augsburg den vermutlich geländegängigsten Käfer der Republik zusammengeschraubt.
Das Ding geht "wie Hölle" vor allem in asphaltfreien Zonen. Denn die knuffig-rundliche Karosse ist nur Schein. Darunter steckt ein lupenreiner Can-Am Maverick X3, Baujahr 2017. Mit seinen 154 PS war er damals das Nonplusultra in der Szene und somit genau die richtige Basis für Karches' Projekt.
Karches ist Jahrgang 1956 und somit legitimer Angehöriger der "Generation Käfer". Insofern war auch sein erstes Auto natürlich ein Käfer. Nach einigen Tuning-Durchgängen hatte der 150 PS und war die Initialzümdung für Karches zweite Karriere als Fahrzeugschrauber. Eigentlich ist er ja hauptberuflich Flugzeugelektroniker, aber erdgebundene Fortbewegungsmittel schneller zu machen war schon immer seine Leidenschaft. Erst optimierte er Motorräder für den Offroad-Bereich. Später präparierte er Unimogs für den Rallyeeinsatz. Und dann kam das Maverick-Käfer-Projekt.
Der erste Umbau-Versuch war noch eine Art Fingerübung. Karches probierte den Rohrrahmen des Maverick mit größtenteils selbstgefertigten Karrosserieteilen in einen Käfer zu verwandeln. Aber die Dachlinie, die stark nach vorne geneigten Holme der A-Säule und überhaupt die ganzen Proportionen - kurzum, eine gewisse Ähnlichkeit war durchaus vorhanden, aber zufrieden war der Meister nicht. Bei den Rally Albania 2019 stellte er seinen Umbau auf Platz 2 in der Gesamtwertung. Und bei der Tuareg-Rallye 2023 legte er ihn gekonnt aufs Dach. Das war der Startschuss für den Radikalumbau: Maverick-Käfer 2.0 - jetzt aber richtig.
Aus Holland besorgte sich Karches eine Kunststoff-Karosse mit der Original Käfer-Silhouette. Und dann begannen die durchschweißten Nächte in denen er nun den Maverick-Unterbau Stück für Stück der Käferkarosserie anpasste. Die Holme der A-Säule wanderten weit nach hinten und den viel zu breiten Dachkäfig musste er komplett neu konstruieren. Aber auch "unten rum" ist so ein Maverick einfach viel breiter als ein Käfer. Also schnitt Karches die Kunststoff-Karosse längs auseinander und laminierte einen 16 cm breiten Streifen hinein. Auch in der Länge musste er ein paar Zentimeter hinzulaminieren. Jetzt hängt die Karosse freischwingend, nur von vier Schrauben oben am Dach gehalten, über dem Chassis und alles passt.
Im Inneren räumte Karches gründlich auf. Servicefreundlichkeit war das oberste Ziel. Nimmt man etwa die Reserveräder raus, liegt der Motor offen da. Die Technik selbst ist nach wie vor weitgehend original Can-Am. Allerdings spendierte Karches seinem Geschoss ein Reiger-Fahrwerk und eine Fly-Off-Handbremse. Beides hat er den World Rally Cars abgeguckt. 100 Prozent Käfer sind dagegen die originalen Blinkleuchten auf den Kotflügeln und die verchromten Rückspiegel. Sogar einen Innenspiegel hat Karches verbaut. Der ist zwar völlig sinnlos, sorgt aber für heimeliges Käfer-Feeling im Can-Am-Cockpit.
Eigentlich wäre der Maverick-Käfer jetzt bereit für große Taten. Doch mit Ende 60 lässt es Karches inzwischen ruhiger angehen. Die wilden Jahre sind vorbei. 1996 etwa, als er - damals noch auf dem Motorrad - die Dubai-Rallye gewann, mit viel Glück, wie er sagt; oder sein 2. Platz bei der Rallye Breslau mit einem Unimog - alles lange her. Heute freut er sich, wenn er den Speed der Jungen eine Weile mitgehen kann, weil er dann weiß: Es geht noch. Aber beweisen muss er niemandem mehr etwas. Ganz im Gegenteil: Bei der Rally Albania im letzten Jahr, einer heftigen Materialschlacht über übelste Rumpelpisten stieg er einfach für zwei Etappen aus, weil ihm sein Auto zu schade war. Wer will es ihm verdenken? Er hat es ja schließlich eigenhändig gebaut- mit viel Liebe und noch mehr Herzblut.
📷 Actiongraphers, Privatarchiv Karches, kku